Interview mit Ingrida Gerbutaviciute, Intendantin am tanzhaus nrw

BühneTanzland NRW
Diesen Namen sollte man sich merken, auch wenn es nicht ganz leicht ist: Ingrida Gerbutaviciute heißt die neue Intendantin am Tanzhaus NRW in Düsseldorf. Die Litauerin (Jahrgang 1983) will neue Akzente setzen. Ein Gespräch über Tanz, Körperlichkeit und Gemeinschaft.
Ingrida Gerbutaviciute, Ihre erste Spielzeit haben Sie mit der Frage „May I hug you?“, also „Darf ich Dich/Sie umarmen?“, überschrieben. Auf welche Weise sucht das Bühnenprogramm Antworten?
IG:
Diese Frage ist als Metapher gemeint. Im Mittelpunkt steht natürlich der Körper. Wir fragen uns zum einen, wie gehe ich nach der Pandemie mit der eigenen Körperlichkeit um, und wie steht meine Körperlichkeit in Bezug zu den anderen und zur Gemeinschaft. Wir versuchen, noch weiter zu denken und erweitern die Frage nach unserer Körperlichkeit in ihrem Bezug auf Naturelemente, Tiere, Dinge oder sogar Digitalität. Es geht um physisches Erleben jenseits des menschlichen Leibes. Dazu haben wir Kompanien und Künstler*innen eingeladen, die sich mit diesen Themen beschäftigen.
Woran arbeiten diese konkret?
IG:
Unser Fokus markiert drei Bereiche: intime Körperlichkeit, Körperlichkeit der Gemeinschaft und schließlich die expansive Körperlichkeit Es entstehen Arbeiten mit Gemeinschaften oder Nachbarschaften. Andere denken darüber nach, was heutzutage eine Choreografie ist oder Tanz überhaupt. Denn es ist nicht nur der menschliche Körper, der tanzen kann, sondern auch beispielsweise eine Flamme – siehe die Arbeit „Burn Time“ von André Uerba.
Was sind die drei wichtigsten Akzente, die Sie, sei es auf der Bühne oder im Bildung Bereich, setzen?
IG:
In der Akademie gibt es jetzt ein Pilotprojekt: Wir bieten Menschen mit Alzheimer oder Demenz-Kurse an. Es gibt bereits eine Tanzklasse für Menschen mit Parkinson. Die wollen wir beibehalten und das Angebot erweitern. Dazu bauen wir auf eine Partnerschaft mit dem Scottish Ballet, das schon Kurse anbietet. Außerdem wollen wir, um bei der Akademie zu bleiben, unsere Altersgruppen strecken. Wir wollen spielerischen Hip-Hop für Kinder ab zwei Jahren anbieten. Beim Bühnenprogramm möchte ich das Arbeiten mit Gemeinschaften hervorheben. Im Herbst gab es zwei Tanzstücke auf öffentlichen Plätzen in Düsseldorf, so dass wir viel mehr Publikum erreichten. Ich glaube, nach der Pandemie stellt sich jedes Haus die Frage, wie es sein Publikum zurückgewinnen kann.
Ist mein Eindruck falsch, dass Sie als Lettin mehr Künstler*innen aus Nord- und Osteuropa präsentieren?
IG:
Über die gesamte Spielzeit gesehen, ist das nicht so. Wir haben auch Gäste aus Süd-, West- und Mitteleuropa eingeladen. Alles ist vertreten.
Ist das tanzhaus nrw weiterhin auch Basisstation für die Tanzszene in Nordrhein-Westfalen?
IG:
Ja, auf NRW liegt ein wichtiger Fokus. Wir fördern weiterhin Koproduktionen, um die Szene zu stärken. In dieser Saison arbeiten wir mit Ben J. Riepe, Alexandra Waierstall, Fabien Prioville, Hartmannmueller. Die freie hiesige Szene ist also gut vertreten. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Künstler*innen.
Interview
Bettina Trouwborst

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